Nachdem der graue Stadtregen in Schnee übergegangen ist, befinden wir uns zusammen mit einer Silhouettenfigur in den schneebedeckten Bergen. Unter dem Motto »Auf die Bretter« beginnt ein reines Wintersportvergnügen für Jung und Alt – von Skispringen über Eiskunstlauf und Bobfahren bis hin zu Bergtouren auf Skiern. Animationstechniken und dokumentarische Realfilmaufnahmen, in denen die Wintersportler vor weißem Schneehintergrund nicht selten selbst wie Silhouettenfiguren wirken, greifen ineinander, überlagern sich und verschmelzen zu einem filmischen Winterschnee-Erlebnis.
Die Animationsfilm-Pionierin und Experimentalfilmschaffende Lotte Reiniger, die vielen durch ihre Märchen-Scherenschnittfilme und DIEABENTEUER DES PRINZEN ACHMED (1926) bekannt ist, arbeitete für diesen, für sie recht ungewöhnlichen Kurzfilm mit Alex Strasser zusammen. Die Animationssequenzen stammen von Reiniger, die Dokumentaraufnahmen von Strasser, der in den 1930er Jahren Anschluss an die britische Dokumentar- und Experimentalfilmszene fand. In Bonn ist GROTESKEN IM SCHNEE in einer neuen digitalen Restaurierung des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum zusehen, welche auf dem einzigen existierenden Material – einer 16mm-Kopie aus den Beständen des Bundesarchivs – beruht.
Landschafts- und Städtefilme sind immer wieder einer Gefahr ausgesetzt: der Gefahr, monoton zu werden und nur eine Aneinanderreihung von Ansichtspostkarte zu bleiben.
Meist sollen Titel dann zu überbrücken helfen und vergrößern nur noch in ihrer fatalen Redseligkeit die Langeweile des Ablaufs.
Hier den richtigen Weg zu finden, ist schwer. Eine Möglichkeit erkennt die Schöpferin des Achmed-Silhouettenfilms, Lotte Reiniger, die mit Alex Strasser zusammen eine Kurzfilm-Serie „Astra-Magazin“ für das Beiprogramm begonnen hat.
Strasser und sie geben hierin einer „GROTESKE IM SCHNEE“ [sic] Bilder von einem Sportfest im Engadin durch Trickzeichnungen verbunden, die im richtigen Augenblick unterbrechen und langatmige Titel ersetzen.
Statt also viel von der „schneeigen Märchenpracht der schweigenden Gletscherwelt“ zu fabeln, wird durchlustiges Beiwerk mitten in den Vorgang hineingeführt, aus der Wirklichkeit wird im Überblenden das Trickbild und aus dem Trickbild geht es plötzlich wieder in die Wirklichkeit.
Das alles wird mit Leichtigkeit und Laune gemacht, ein Schneeschuhläufer vollführt noch eben im Bild die erstaunlichsten Kunststücke, da setzt der Trickfilm ein und er kann noch viel mehr. Oder ein Zug fährt durch die Schneelandschaft. Nach ein paar Metern wäre es monoton, wenn hier nicht Lotte Reiniger zum Trick überschaltet und die Fahrt mit einem Mann und einer Frau im Coupé verbindet, die sich um ein offenes Fenster zanken.
Man bringt ein paar Titel. Das heißt zwei, drei Worte kaum. Als Schild vor einer Landschaft mit Schneemann und Tannenbaum, während Schnee rieselt. So wird auch der Titel nicht mehr zur Unterbrechung, wie das Trickbild sich folgerecht aus dem Bild entwickelt, bringt er die Geschlossenheit.
Lotte H. Eisner in: Film-Kurier, Nr. 227, 22.9.1928.