Vielleicht wäre der treffendere deutsche Titel für diese charmante Verwechslungskomödie von Ernst Lubitsch »Der Ehekreisel« oder »Das Ehekarussell«. Denn der in Wien spielende Film über zwei Ehepaare ist ein Wirbel aus Intrigen, Untreue, Missverständnissen und – natürlich – der Liebe. Mizzi und Joseph Stock sind schon lange verheiratet und liegen ständig im Clinch. Er sucht nach einem guten Grund für die Scheidung, sie droht immer wieder damit, ihn zu verlassen, und flirtet hemmungslos mit dem Mann ihrer besten Freundin Charlotte. Franz und Charlotte Braun hingegen sind glücklich verheiratet, doch die liebeswütige Mizzi und Franz‘ Kollege Gustav Müllerstellen alles auf den Kopf.
THE MARRIAGE CIRCLE ist die zweite US-amerikanische Produktion des großen deutschen Regisseurs Ernst Lubitsch, der den Film als Lieblingsfilm unter seinen eigenen Werken bezeichnet haben soll. Er vereint die für Lubitsch typische Leichtigkeit mit punktgenauer Bildsprache. Dies lässt die beeindruckende schauspielerische Leistung der kleinen Besetzung strahlen, in deren Mittelpunkt Marie Prevost als Mizzi steht. Prevost hatte zuvor lange mit Mack Sennett gedreht; durch die Arbeit mit Lubitsch wurde sie zum gefeierten Hollywood-Star. 1932 verfilmte Lubitsch das Theaterstück Lothar Schmidts, auf dem THE MARRIAGE CIRCLE basiert, erneut als Tonfilm unter dem Titel ONE HOUR WITH YOU (EINE STUNDE MIT DIR). In Bonn zeigen wir den Stummfilmklassiker in der neuen digitalen Restaurierung des New Yorker Museum of Modern Art.
Der liebenswürdigste und, wenn man will, der beste Lubitsch-Film. Ein feines, lustiges Spiel mit der Liebe und dem Feuer, das aus einem klein bißchen Handlung und unendlich viel Einfällen besteht. Das belustigend-belehrend ist und nachdenklich stimmt, indem es zeigt, wieviel es oft auf Kleinigkeiten ankommt, und wie die Ehe letzten Endes ein Seiltanzzwischen Glück, Gleichgültigkeit, Einbildung, Wirklichkeit und Unglück ist.
Es drehen sich im Kreise Herr Professor Stock und Frau Mizzi, Dr. Braun, ein junger Arzt, und Charlotte. Es dreht sich mit Dr. Müller, der einzig Unbeweibte, der aber in der letzten Szene, so wie wir Mizzi kennengelernt haben, der Ehe entgegenreift.
Sie drehen sich im Kreise. Stundenlang. Und es passiert gar nichts, als daß Professor Stock programmmäßig seine kokette Frau los und Charlotte davon überzeugt wird, daß ihr Mann so treu ist wie sie.
[...]
DIE EHE IM KREISE ist ein Film, den man ansieht, über den man sich freut, der ein paar vergnügte Stundenschafft, technisch ausgezeichnet ist und europäisch anmutet, trotzdem er in Amerika entstand. Ein Gruß des deutschen Lubitsch an die deutsche Filmkunst, wenn man will, ein Protest dagegen, daß nur die amerikanische Methode und Filmauffassung allein selig machen sei. Ein Kinostück, an dem man eigentlich gar nicht herumkritisieren sollte.
Aros [= Alfred Rosenthal] in: Berliner Lokal-Anzeiger, 8.9.1924.
Über diesen Film kann man ganz kurz sprechen. Weil sich nichts gegen ihn sagen läßt, sondern für ihn nur die besten Vokabeln, die unsere Sprache zum Lobe einer Leistung
aufzuweisen hat.
Am Schluß der Vorstellung hätte sich eigentlich das Publikum erheben und ein dreimaliges Hoch auf diesen Lubitsch ausbringen müssen, der hier den besten, feinsten, filmgemäßesten,
unterhaltsamsten Film gemacht hat, der bislang auf der kratzigen Oberfläche unseres Planeten entstand.
[...] Mit einem Mindestmaß von Handlung, mit einem Mindestmaß von Mimik ist hier das Stärkste und Sprechendste und zugleich Amüsanteste an Ausdruck erzielt, das bis zum heutigen Tage möglich war.
[...] Ein erotisches Geplänkel hebt an, und wir erleben tiefste Einblicke in menschlichstes Wesen, aber alles nur andeutungsweise, nur huschend, nur spielerisch gezeigt.
Und das Wunder geschieht: nicht einen Augenblick vermißt man das gesprochene Wort. Sondern die Sprache des menschlichen Gesichts, die sparsame Geste, der durchdachte Einfall sagt mehr als abgenutzte Dialogphrasen. Der wohltuend stumme und tempoflotte Film triumphiert über das gesprochene Lustspiel.
Noch ein Wunder ist geschehen: hier ist ein Theaterstück, nach Lothar Schmidts „Nur ein Traum“, ganz ins Filmgemäße aufgelöst worden. Nichts geschieht mehr aus dem Wort oder aus der Bühnenkonstellation heraus, sondern alles Geschehen ist den Filmmöglichkeiten entlockt worden. [...]
Hier ist Kammerspiel und Publikumsstück in Verschmelzung geglückt. Hier ist das erste und einzige vollkommene Lustspiel, das bisher von deutscher Hand erzeugt wurde — tragikomischer Weise in Amerika. Gäbe es ein Wort in unserer Sprache, das Vergnügen auszudrücken, welches dieser Film bereitet, ich setzte es mit solcher Leidenschaft hierher, daß sich alles, was sonst in Deutschland an Lustspielen erzeugt wird, verkröche und jeder Leserspornstreichs hinliefe, sich dieses Lubitsch-Opus anzusehen.
Kurt Pinthus in: Das Tagebuch, Nr. 36, 6.9.1924.
Restauriert durch das Museum of Modern Art, New York, mit finanzieller Unterstützung von Matthew und Natalie Bernstein